Jón Thor Gíslason

Über Damien Hirst und das Ende der Kunst


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von Jón Thor Gíslason

Wie ein wichtiges Zeichen für das lang ersehnte Ziel der Moderne: die Aufhebung der Kunst bzw. das Ende der Kunst, erscheint in der heutigen postmodernen Kunstwelt, in großer Vielfalt, die Banalität. Der Künstler Damien Hirst beschäftigt sich auf eine bestimmte Art mit diesem Phänomen.

Wie viele seiner Kollegen (z.B. Jeff Koons ) ist Hirst Künstler und Kurator in einem, der ganz bewusst die geschäftliche Potenz des Künstlers selber und das Geldverdienen zum Hauptmotiv des eigenes Kunstschaffens macht. Die teilweise kitschigen Kunstprojekte macht der Künstler auch nicht selber, sondern lässt sie von Angestellten verfertigen. So betrachtet besteht also kaum noch mehr ein Unterschied zwischen einem Künstler und einem Manager.

Der bis hier unentbehrliche idealistische Faktor und die Vorstellung von Künstlern als Genies, was die Kunst und die Künstler spätestens seit der romantischen Epoche ausmacht, werden, dieser Tatsache zur Folge, durch ironische Äußerungen als Irrtum abgelehnt.

Daraus ist zu schließen, dass der traditionelle Kunstbegriff überwunden ist.

Etliche Werke Hirsts beschäftigen sich plakativ mit dem Tod, u. a. diejenigen die tote Tiere oder Totenschädel darstellen. Demnach könnte man in einem gewissem Sinne sagen, dass hier das Ende der Kunst gemeint ist oder noch exklusiver formuliert, die feierliche Geburtstunde des toten Kunstbegriffs.

Es bleibt nur noch zu fragen, wie ernst diese Einsicht von Hirst selber gemeint ist.

Aller Wahrscheinlichkeit nach wird hier mal wieder das berühmte Pendel-bewegungsspiel der Moderne gespielt. Eine Subjektivität zwischen Selbstaffirmation und Selbstauslösung:

Was uns Hirst sagen möchte ist, dass das individuelle künstlerische Handwerk schon lange überflüssig in unserer hoch technisierten und industriellen gegenwärtigen Welt geworden ist. Da aber trotz dieser Tatsache, an eine Gesellschaft ohne Kunst und Künstler nicht zu denken ist (the show must go on!), dreht man einfach, wenn nötig, die Vorzeichen um. So gesehen entsteht eine Kunst, die davon profitiert sich selber zu widersprechen. Nicht das Produkt zählt, sondern das Verpackungsmaterial, das Etikett, der Verkaufpreis.

Im Gegensatz zu dieser Auffassung schließt Hirst aber nicht die Möglichkeit aus, dass der überwundene traditionelle Kunstbegriff uns immer noch etwas Wichtiges mitzuteilen und etwas Neues anzubieten hat.

Seit einiger Zeit malt Hirst sogar seine Bilder selber anstatt sie von anderen ausführen zu lassen. Diese Ambivalenz zeigt, wie schwer es uns fällt, uns trotz aller intellektuellen Klarheit, von dem klassischen, sinnlichen Kunstbegriff zu verabschieden.

Sollten wir uns heute tatsächlich in einer Epoche befinden, wo die Kunst zu Ende geht, ist es wichtig, sich über eine bestimmte Aussage im Klaren zu sein, die lautet: Jedem Ende von etwas folgt ein Anfang von was. Selbst die Philosophie dessen, der am Anfang des 19. Jahrhundert das Ende der Kunst vorausgesagt hat, beruht auf diesem Prinzip. Die hegelsche Erfassung der Wirklichkeit ist sich entfaltendes und wieder in sich zurückführendes Leben. Demnach ist das „Ende von etwas“ gleich der „Anfang von was“.

Es ist also nicht auszuschließen, dass wir das Ende der Kunst sogar hinter uns haben, und dass wir uns jetzt schon in der Phase des Neubeginns befinden, wo notwendigerweise vor allem der Kitsch und die Banalität für den Neustart gefragt sind. Der zurückgekehrte Kunstbegriff ist aber dann nicht mehr der gleiche, der er beim Aufbruch der Reise war, sondern ein entwickelter, erfahrener Kunstbegriff, der eine Wiedergeburt in seinen eigenen Wurzeln erlebt.

Düsseldorf im März 2012